Siegendorf sichert sich den Landesmeistertitel!
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Landesmeister 1950 (HP)

Siegendorf sichert sich den Landesmeistertitel!

ASV reicht bei Meisterschaftskrimi in Oberwart ein 2:2.

Die Folgen der Coronavirus-Pandemie: Keine Sportveranstaltungen im Burgenland seit Mitte März, Abbruch der Meisterschaft am 15.4.2020 laut ÖFB-Präsidiums-Beschluss. Nationale und internationale Ligen sowie alle europäische Bewerbe ruhen derzeit. Nicht wenige europäische TV-Anstalten, vor allem die Sportsender liefern ihren Fußballanhängern deshalb „Spiele aus der Konserve“ und strahlen „Highlights“ aus der Vergangenheit aus. Auch wir greifen tief in unser Archiv und präsentieren den Freunden und Anhängern des ASV Siegendorf in den nächsten Wochen interessante Spiele aus der Vereinsgeschichte mit positiven, aber auch negativen Schlagzeilen - so, als ob sie gestern stattgefunden hätten - im gewohnt "aktuellen Format" von heute. Lassen Sie sich überraschen…

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 Historisches: 

Unsere erste Reise führt ins in das Jahr 1950. Das Burgenland ist nach Ende des II. Weltkrieges bis zum Jahr 1955 Teil der sowjetischen Besatzungszone. Auf Wunsch burgenländischer Politiker und auf Intervention der Roten Armee beschließt die Provisorischen Staatsregierung unter Karl Renner am 29.8.1945 das Burgenlandgesetz genannte Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Burgenland per 1.10.1945 als selbstständiges Bundesland konstituiert wird. Am 11.5.1950 stellen die Amerikaner die Kontrollen an den Zonengrenzen ein. In London findet im Mai 1950 die Außenministerkonferenz der Westmächte statt, bei welcher Gelegenheit Österreich dabei unter der Leitung von Vizekanzler Dr. Adolf Schärf mit den Besatzungsmächten über den Staatsvertrag verhandelt, doch wird die bereits 254. (!) Sitzung erneut abgebrochen, weil die Sowjets den Abschluss des Staatsvertrages von einer Einigung über das sog. „Triestproblem“ abhängig machen. Der Nationalrat beschließt am 24.3.1950 die Abschaffung der Todesstrafe in Österreich mit Ende 30.6.1950.
Im Feber 1950 wird in Wien mit dem Bau des Westbahnhofes begonnen. Am 10.3.1950 wird im Apollo-Kino in Wien „Der Dritte Mann“ mit Orson Welles und Joseph Cotton in den Hauptrollen uraufgeführt. In Deutschland läuft in den Kinos die Erich Kästner-Verfilmung „Das doppelte Lottchen“, und in den USA ist „Rio Grande“ mit John Wayne und Maureen O'Hara der Renner. Am 12.4.1950 nehmen Billy Haley & The Comets ihren späteren Welthit „Rock Around The Clock“ auf. Die musikalischen Tophits zu dieser Zeit sind „Harry Lime Theme“ von Anton Karas aus dem vorerwähnten Orson Welles-Film (11 Wochen #1 in Amerika), Doris Day mit „Secret Love“ in England und hier in Österreich und Deutschland Rudi Schuricke mit „Capri-Fischer“.
In Österreich geht nach Ostern und Pfingsten 1950 gerade eine Hitzewelle mit Werten bis 32° Grad zu Ende.

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 Sportliche Ausgangsposition: 

Siegendorf nimmt an der ersten gesamtburgenländischen Landesliga der Saison 1949/50 unter seinem neuen Vereinsnamen „ASV Siegendorf-Zuckerfabrik“ teil. Diese Meisterschaft startet bereits eine Woche nach Abschluss der vorigen. Das bedeutete natürlich eine enorme körperliche Belastung für die Spieler, zumal damals auch noch kein Austausch zulässig war. Die Saison wird ein wahrer „Aufstiegskrimi“, die Tabellenführung wechselt von Runde zu Runde zwischen Siegendorf, Neufeld und Oberwart.
Wenig überragend sind die Leistungen der Schiedsrichter. In der 4. Runde kommt es im Spiel gegen Oberwart beim Stand von 3:2 für Siegendorf zum ersten Abbruch:
“In der 77. Minute wehrte Neubauer einen Freistoß Zeichmanns aus einer Entfernung von ungefähr 18 Meter ab. Dabei will das Publikum den Ball bereits über der Torlinie gesehen haben. Herr Stary, der sich unweit der Mittellinie befand, entscheidet auf Torabstoß, um dann seine Meinung zu ändern und auf die Mittelauflage zu zeigen. Mit dieser Entscheidung des Schiedsrichters nicht einverstanden, verlassen die Oberwarter 13 Minuten vor Schluß das Spielfeld. Nach dem Spiel trafen sich Spieler und Funktionäre der beiden Vereine zu einem gemütlichen Beisammensein, das bis in die Abendstunden dauerte, und ließen den Zwischenfall, einzig und allein ein Produkt des Unparteiischen, in Vergessenheit geraten.” (Freies Burgenland vom 25.9.1949)
Eine Runde vor Schluss siegt Siegendorf im Schlager gegen Verfolger Neufeld (Supertorverhältnis!) vor 2.000 Zuschauern mit 3:1 und scheint sich die Meisterkrone gesichert zu haben. Nun tritt aber der ÖFB auf den Plan und annulliert das im Herbst beim Stand von 3:2 abgebrochene Spiel gegen Oberwart (0:0, 0 Punkte), wodurch sich eine Runde vor Schluss folgende hochbrisante Konstellation ergibt:
1. Siegendorf                                               21     13     5     3     47:20     30
2. Neufeld                                                    21     14     0     7     74:32     28
3. Oberwart                                                 21     12     5     4     65:36     28
Alle drei Teams können noch Meister werden: Neufeld hat Güssing zu Gast, und der Tabellenführer Siegendorf muss ausgerechnet nach Oberwart.

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 Zum Spiel: 

Das Gipfeltreffen um den ersten burgenländischen Landesmeistertitel zwischen dem Vorjahrsmeister SC Oberwart und dem Tabellenführer ASV Siegendorf war geprägt von übergroßer Nervosität. Beide Mannschaft kamen heute - wohl infolge der großen Bedeutung dieses Entscheidungsspiels  - nicht ganz an ihre bisherigen Saisonleistungen heran.  Während Siegendorf in kompletter Aufstellung antreten konnte, fehlten bei den Oberwartern die beiden Stützen Neubauer und Wölfel, die sich im vorwöchigen Spiel gegen Deutschkreutz verletzt hatten.

Die Siegendorfer nehmen bei hochsommerlichen Temperaturen den Ankick vor, verlieren aber gleich den Ball - mit bitteren Konsequenzen: Virag schickt Rechtsaußen Fritz Muth auf die Reise, und gegen dessen Bombenschuss ins rechte Eck ist Torhüter "Moni" Dragotinits machtlos. Wahnsinn: 1:0 für Oberwart in der 1. Minute! Riesenjubel bei den mehrheitlich im Lager der Oberwarter stehenden 1.200 Zuschauer. Unsere Mannschaft weiß aber, was in dieser Begegnung auf dem Spiel steht und geht gleich zum Gegenangriff über. Nach einem krassen Abwehrfehler kommt Stefan Zeichmann ans Leder und lässt SCO-Keeper Wolfbeisz bei seinem 17. Saisontreffer mit einem "Hammerschlag" keine Chance - 1:1 nach 5 Minuten! Alles wieder offen. Die Partie bleibt in der Folge ausgeglichen, keine Mannschaft kann sich entscheidende Vorteile erspielen. Tormöglichkeiten sind Mangelware.

Die Blau-Weißen aus Oberwart nutzen erneut ihre wenigen Chancen eiskalt. 34. Minute: Virag ist abermals Passgeber, spielt ideal ins Loch für Muth, und Dragotinits ist zum zweiten Mal geschlagen - 2:1 für die Hausherren. Das Spiel nimmt nun gehörig an Härte zu, und der niederösterreichische Schiedsrichter hat alle Hände voll zu tun, die Akteure im Zaum zu halten. Siegendorf legt einen Zahn zu und drängt die Oberwarter immer mehr in die eigene Hälfte. Der verdiente Ausgleich drei Minuten vor der Pause ist die logische Folge: Karl Belloschitz drückt aus 17 m ab, wieder hat Wolfbeisz keine Chance - 2:2! Halbzeitpause, durchatmen bei den Rotjacken.

Im zweiten Durchgang steht die Siegendorfer Verteidigung um Josef Leidl und Rudi Fortunits bombensicher. Als die Kunde von der klaren Neufelder Führung gegen Güssing auf den Oberwarter Sportplatz durchdringt, versuchen die Hausherren noch einmal alles nach vorne zu werfen. Doch ihre Stürmer haben ihr Pulver scheinbar verschossen. ASV-Torhüter Matthias Dragotinits muss keine einziges Mal bis zum Schlusspiff wirklich ernsthaft eingreifen. Auf der anderen Seite begnügen sich unsere Akteure, den Oberwartern keine Räume mehr für einen ordentlichen Spielaufbau zu lassen. Die Nervosität auf beiden Seiten nimmt sichtlich zu. In beiden Reihen stehen nicht wenige technisch hochklassige Spieler, denen mit Fortdauer der Partie aber immer mehr Abspielfehler unterlaufen. Das Match lebt in der Schlussphase mehr von der Hochspannung, aber kaum von planmäßigen Aktionen. Jeder weitere Treffer würde die endgültige Entscheidung bedeuten. Ochsenhofer sieht "Moni" etwas zu weit vor seinem Tor - aber der Schuss geht doch klar drüber. Der überragende "Ella" Zeichmann hat kurz vor dem Abpfiff sogar noch den Siegestreffer auf dem Fuß, trifft aber den Ball nicht richtig. Egal - Schiedsrichter Friedl beendet das Spiel mit dem Endergebnis von 2:2. 

Neufeld hilft auch ein 4:0 gegen Güssing nichts. Damit ist der ASV Siegendorf-Zuckerfabrik mit Erfolgs-Obmann Julius Bariszlovits erstmalig "Meister von Burgenland". Bravo! Nach dem Spiel wurde unsere Mannschaft von Oberwart-Obmann Dr. Fuith eingeladen, welcher die hervorragende Leistung der Siegendorfer über die ganze Saison hinweg würdigte und sportlich fair zum Titelgewinn gratulierte. Unsere Mannschaft hat nun die große Chance, sich in den Aufstiegsspielen gegen den steirischen Meister Austria Graz und den niederösterreichischen Meister SC Wr. Neustadt sogar für die Staatsliga A (der Erstplatzierte) oder Staatsliga B (der Zweitplatzierte) zu qualifizieren.

Landesliga, 22. Runde; Sonntag, 11.06.1950, 16.00 Uhr:
SC Oberwart - ASV Siegendorf  2:2 (2:2)
Oberwart: Wolfbeisz; Benedek, Subosits; Kurz, Rathauscher, Hahold; Muth, Ochsenhofer, Virag, Kasper, Schilk.
Siegendorf: Dragotinits; Leidl, Fortunits; St. Belloschitz, Prikosovits, J. Schimetits; Gollubits, Wlasits, K. Belloschitz, Zeichmann, Markovits.
Tore: 1:0 Fritz Muth (1.), 1:1 Stefan Zeichmann (5.), 2:1 Fritz Muth (34.), 2:2 Karl Belloschitz (42.).
Ort: Oberwart. Wetter: 30° C (heiter). Zuschauer: 1.200. Schiedsrichter: Friedl (Klosterneuburg).

Endtabelle der Landesliga-Saison 1949/1950:
 1. Siegendorf*                     22    14    5     3    52:24    33
 2. Neufeld                         22    15    0     7    78:32    30
 3. Oberwart                        22    12    5     5    69:38    29
 4. Pinkafeld                       22    10    8     4    59:34    28   
 5. Mattersburg                     22    10    2    10    57:57    22
 6. Neusiedl                        22     9    4     9    47:61    22
 7. Hirm                            22     8    5     9    45:37    21
 8. Hornstein                       22     8    4    10    54:50    19
 9. Güssing**                       22     7    3    12    53:62    17
10. Rechnitz**                      22     6    5    11    34:57    16
11. Deutschkreutz                   22     7    0    15    38:77    14
12. ASV Frauenkirchen               22     5    1    16    37:94    11

*  Relegation zur Staatsliga (Anm.: Das abgebr. Spiel gegen Oberwart wurde
nach Meisterschaftsende vom ÖFB doch mit 3:0 für Siegendorf beglaubigt). 
** Rechnitz bleibt in der Liga, da Güssing freiwillig absteigt

 V O R S C H A U  
Qualifikationsspiele zur Staatsliga:
02.07.1950: Austria Graz - ASV Siegendorf
09.07.1950: ASV Siegendorf - SC Wr. Neustadt
23.07.1950: ASV Siegendorf - Austria Graz
30.07.1950: SC Wr. Neustadt - ASV Siegendorf

(Fortsetzung folgt)

© mp, 25.04.2020


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